Die Lösung, vollständig

1. Die Trennung des Problems

Lasst uns an das erste Kennenlernen des Paradoxons erinnern. Dass die Hinrichtung am letzten Tag unmöglich ist, scheint selbstverständlich zu sein. Der innere Widerstand entsteht etwas später, wenn wir gezwungen werden einen Tag nach dem Anderen aufzugeben. Natürlich glauben wir, dass genau hier der Fehler liegen muss. Aber die Analyse (die etwas weiter genauer erläutert wird) kommt nicht bis zu diesem Teil des Paradoxons, weil sie im Problem des letzten Tages stecken bleibt. Und sie sagt uns, dass unsere Annahme, die Hinrichtung am letzen Tag widerspreche dem Urteil, falsch war. Hat uns also der erste Eindruck getäuscht? Dieser Schluss wäre aber verfrüht. Wir werden sehen, dass unsere Intuition hier näher an der Sache war, als die Ergebnisse dieser Analyse.

Warum entsteht hier diese Divergenz zwischen der Intuition und der Analyse? Beim Kennenlernen des Urteils empfinden wir die Hinrichtung als Grundlage des Urteils, als eine unabwendbare Gegebenheit, und die Überraschungs-Klausel wird von uns als zusätzlich und sekundär empfunden. So kommen wir zur Ansicht, dass die Hinrichtung, wenn auch am letzten Tag, unbedingt stattfinden muss. Die Logik arbeitet jedoch nicht mit wichtigen Bedingungen und Bedingungen nebensächlichen. Für sie ist maßgebend, dass beide Bedingungen aus einer Quelle stammen und dass sie am letzten Tag einander widersprechen. Lasst uns das etwas ausführlicher betrachten: .

Nehmen wir an, der Gefangene ist am Freitagabend noch an Leben. Morgen ist der letzte Tag der vom Urteil bestimmten Woche, also muss die Hinrichtung morgen stattfinden. Aber das Urteil behauptet auch, dass der Gefangene den Hinrichtungstag im Voraus nicht wissen wird. Das heißt, das Urteil wird für den Gefangenen auf das Folgende zurückgeführt: "1) Die Hinrichtung findet morgen statt. 2) Aber heute wissen Sie es nicht." Aus zwei solchen widersprüchlichen Behauptungen kann der Gefangene das erwünschte Wissen des Hinrichtungstages nicht begründen.

Die Annahme, eine urteilskonforme Hinrichtung sei am letzten Tage nicht möglich, müssen wir also aufgeben. Lasst uns jetzt erinnern, dass diese Prämisse auch in jedem weiteren Schritt des Paradoxons verwendet wird. Mit Bezugnahme auf sie wird der letzte Tag verworfen, wonach ein nächster Tag zum Letzten ernannt wird. Jeder Schritt des Paradoxes verliert also an Begründung. Kann sein, dass wir damit die Lösung des Paradoxons erhalten haben? Das wäre die oft zu findende Lösung, die gewöhnlich noch mit folgender Analogie verdeutlicht wird: "Morgen schenke ich Dir jenes Collier, aber das wird für dich eine Überraschung sein". Jedoch muss solche Lösung abgelehnt werden. Der Grund ist einfach - es sind Formulierungen des Paradoxons möglich, bei denen der "Widerspruch des letzten Tages" gar nicht entsteht. Eine der Einfachsten, mit dem Ball und den Kisten, ist in der Anlage 1 beschrieben. Aber den Erfolg kann man auch im Rahmen des Urteil-Paradoxons erzielen, man muss sich nur als Ziel setzen, die Festlegung des Hinrichtungstages zu einer unbestreitbaren Tatsache zu machen. Ich möchte eine folgende Variante anbieten:

Der Richter bestimmt den Tag der Hinrichtung im Voraus und übergibt seine Entscheidung einem Notar (oder dem Priester). Der Letzte schaut seinerseits in den Umschlag und bestätigt dem Gefangenen, dass tatsächlich ein Tag der Woche angekreuzt ist. Danach spricht der Richter das Urteil: "Die Hinrichtung wird mittags am festgelegten Tag stattfinden, es sei denn, sie werden im Voraus eine logisch begründete Kenntnis von diesem Tag vorlegen. Aber der Hinrichtungstag ist so bestimmt, dass es ihnen nicht gelingen wird."

Was unterscheidet diese Bedingung vom Original? Hier bekommt der Gefangene das Wissen, dass der Hinrichtungstag festgelegt ist, nicht vom Richter, sondern aus einer unabhängigen Quelle. Damit kommen wir unserer intuitiven Wahrnehmung entgegen, laut der die Anordnung der Hinrichtung die Grundlage des Urteils ist. Und dadurch können wir jetzt sowohl den Widerspruch des letzten Tages als auch auf ihm basierende "Lösung" außer Acht lassen.

Die Folgerungen des Gefangenen bleiben dieselben, wir haben ja auch nur ihre logische Basis verbessert. Ebenso wie im Original kommt der Gefangene zum Ergebnis, dass die Hinrichtung für keinen Tag der Woche angesetzt werden könnte. Jedoch ist diesmal das Gegenteil unbestreitbar, weil die Festlegung des Hinrichtungstages vom Notar bestätigt wurde.
Der Fehler muss also in der Herleitung des Gefangenen gesucht werden.

 

2. Die Analyse des schrittweisen Ausschließens

Wenn dem Gefangenen erlaubt wird, jeden Tag aufs Neue zu behaupten "Ich weiß, dass die Hinrichtung für heute geplant ist", dann ist keine urteilskonforme Hinrichtung möglich und der Schluss des Paradoxons ist richtig. Die nachfolgende Analyse soll zeigen, dass der Zusammenhang enger ist, dass die Folgerungen des Gefangenen nur mit dem Modell "des vielfachen Wissens" vereinbar sind.

Aber zunächst wollen wir klären, wie und wann der Gefangene sein Wissen verkünden darf. Es wäre nahe liegend vom Gefangenen zu erwarten, sein Vorauswissen auch im Voraus zu melden, also noch bevor er von der Anordnung des Richters erfahren könnte. Es wäre falsch sich darauf zu verlassen, dass diese Notwendigkeit dank der Forderung einer logischen Begründung entfallen könnte. Wenn der Gefangene den Hinrichtungstag erfahren hat, hat er auch die Möglichkeit erhalten, im Nachhinein sein Wissen logisch zu begründen. Der Gefangene kann dem erschienenen Bote erklären, dass er alle späteren Tage, vom Letzten bis zum morgigen, logisch ausgeschlossen hat, was er mit den Folgerungen des Paradoxons "beweist", die vergangenen Tage sind vorbei, also blieb einzig und allein der heutige Tag. Der Richter wäre damit in Schwierigkeiten versetzt, er hätte bestimmt etliche Einwände gefunden, aber wäre nicht in der Lage den Fehler im vorgelegten "Beweis" direkt zu nennen.

Jedenfalls, auch ohne einen solchen Kasus vorzusehen, müsste der Richter eine Prozedur für eine rechtzeitige Erfassung des Gefangenen-Wissens verordnen. Lasst uns eine mögliche Variante betrachten.

Stellen wir uns vor, der Gefangene bekommt ein einfaches Gerät, das auf Knopfdruck die aktuelle Zeit und Tag auf einem Streifen ausdruckt. Der Gefangene soll den Knopf drücken, wenn er das Wissen erlangt, dass die Hinrichtung für den nachfolgenden Mittag vorgesehen ist. Danach kann er das Gerät dem Richter vorlegen. Der Knopf darf spätestens bis 8:00 gedrückt werden - wir nehmen an, der Bescheid kommt um 9:00. Außerdem, wenn ein "vielfaches Wissen" vermieden werden soll, darf nicht zugelassen werden, dass der Gefangene den Knopf jeden Tag aufs Neue drückt, weil, wie wir oben gesehen haben, eine Begründung für einen beliebigen Tag er schon hätte. Es muss also ein Einweg-Knopf sein. Beim Fehlen der Technik sollte der Gefangene sein Wissen dem Priester erklären. Auch hier würde eine tägliche Erneuerung des Wissens kein Verständnis finden.

Damit sind unsere Vorbereitungen abgeschlossen. Betrachten wir jetzt die Herleitungen des Gefangenen unter Berücksichtigung der neuen Bedingungen. Der Gefangene nimmt an, dass am letzten Tag die Hinrichtung nicht stattfinden kann, weil er den Tag im Voraus wissen würde. Das könnte noch stimmen. Danach hält er für möglich, diesen Tag als möglichen Hinrichtungstag aus der Betrachtung auszuschließen. Das ist schon falsch. Daraus folgt, dass er sein "Wissen" irgendeinem früheren Tag zuordnen wird. Und das "Wissen" zu einem früheren Tag bedeutet, dass auch der Knopf an einem früheren Tag gedrückt wird. Stellen wir uns jetzt vor, die Hinrichtung wäre doch für den letzten Tag geplant. Ja, der Gefangene würde den Tag der Hinrichtung im Voraus wissen, aber er würde dieses Wissen nicht bestätigen können, weil der Knopf schon früher gedrückt würde und auf dem Streifen ein anderer Tag stehen würde.

 

3. Weitere Diskussion

Betrachten wir noch mal den letzten Tag. Angenommen, der Knopf wurde vorzeitig gedrückt. Aber weil es der letzte Tag wäre, würde der Gefangene den Hinrichtungstag sicherlich im Voraus wissen. Würde die Hinrichtung in solchem Fall nicht dem Urteil widersprechen? Das ist aber eine Frage, die sich eher der Richter stellen muss. Wir brauchen nicht zu entscheiden, ob die Hinrichtung rechtmäßig ist oder nicht, unsere Aufgabe ist die Überlegungen des Gefangenen zu prüfen. Deshalb stellt sich für uns die Frage anders: Darf sich der Gefangene in seinen Herleitungen auf die Unmöglichkeit einer letzten-Tag-Hinrichtung verlassen, ungeachtet dessen, dass er den Knopf schon an einem früheren Tag gedrückt hat? Und auf diese Frage antworten wir "nein", weil solche Folgerung eine Zulassung des "vielfachen Wissens" voraussetzt: Hätte der Gefangene sich mit dem früheren Tag nicht geirrt, so würde er auf die Aufhebung der Hinrichtung bestehen. Also auch dann hätte er recht, und auch jetzt am letzten Tag möchte er sein Wissen behaupten - also eindeutig ein "vielfaches Wissen".

Noch ein folgender Einwand sei möglich: Der Gefangene hat eine allgemeine Unmöglichkeit der Hinrichtung bewiesen, deshalb ist der Knopf als Argument bedeutungslos. Es reicht jedoch seinen "Beweis" anzuschauen, und zwar den letzten Schritt in seinen Folgerungen: "Und morgen, am Montag, kann ich nicht hingerichtet werden, weil ich es heute schon weiß." Wenn er über alle anderen Tage nur unter der Bedingung "wusste", er hätte den vorhergehenden Tag überlebt, so ist er zum ersten Tag definitiv noch am Leben, und ist deshalb gezwungen, sein "Wissen" ohne solcher Bedingung zu äußern. Im Rahmen unserer Prozedur bedeutet das, dass er noch am ersten Tag den Knopf drückt. Über ein "Wissen" an den nachfolgenden Tagen könnte er wiederum nur bei einer Zulassung des "vielfachen Wissens" sprechen.
In unserer Variante, wo die Anordnung der Hinrichtung vom Notar bestätigt wurde, ist der Trugschluss, der Gefangene hätte die Unmöglichkeit der Hinrichtung bewiesen, ohnehin kaum möglich..

Die Idee mit dem Knopf hat uns also geholfen, den Fehler in den Überlegungen des Gefangenen zu finden. Aber dieser Fehler ist allen Varianten des Paradoxons eigen, unabhängig von der An- oder Abwesenheit des Knopfes. Deshalb werden wir jetzt versuchen, die erhaltenen Ergebnisse ohne dieses Hilfsmittel darzustellen.

Solange der Gefangene auf den letzten Tag konzentriert ist, darf er behaupten, dass er im Voraus den Hinrichtungstag kennen würde, wäre der für den letzten Tag der Woche vorgesehen. Er geht jedoch zu dem vorherigen Tag über und nimmt dabei stillschweigend an, dass der Anspruch auf  "das Wissen des letzten Tages" unabhängig von seinen nachfolgenden Schlussfolgerungen bestehen bleibt. Und das ist falsch, weil seine weitere Folgerung zu einem "Wissen" führt, was zeitlich dem früher erklärten "Wissen des letzten Tages" vorangeht. Aber ein zeitlich vorangehendes "Wissen" schließt den Anspruch auf ein nachfolgendes "Wissen" aus. Diese Abhängigkeit wäre sonst unübersehbar, aber bei einer zeitlich verkehrten Herleitungsfolge entgeht ihre Verletzung unserer Aufmerksamkeit. Um diese Regel zu berücksichtigen, sollte man jeder Behauptung "... ich würde wissen, dass die Hinrichtung dem nachfolgenden Mittag angeordnet ist" eine zusätzliche Ergänzung zufügen: "..., wenn ich zu diesem Zeitpunkt von meinem Anspruch auf eine Wissensbehauptung noch kein Gebrauch gemacht hätte". Natürlich wäre es damit nicht möglich die Beweisführung des Paradoxons zu entwickeln, s. Anlage 3.

Die vorangegangene Analyse lässt uns zu folgendem Fazit kommen:
Wenn es dem Gefangenen erlaubt ist, täglich zu behaupten "Ich weiß, dass die Hinrichtung für heute geplant ist", so erweist sich eine Hinrichtung nach dem gegebenen Urteil wirklich als unmöglich. Vollkommen korrekt - obwohl überschüssig - erweisen sich in diesem Fall auch die Folgerungen des Paradoxons. Aber natürlich lehnen wir das Modell "des vielfachen Wissens" ab. Nichtsdestotrotz wird in den Folgerungen des Paradoxons nichts vorgenommen, um sich von diesem Modell abzugrenzen. Das führt dazu, dass wir, im Glauben uns in einem bestimmten Modell zu bewegen, eine Herleitungsfolge für ein ganz anderes und für uns unannehmbares Modell aufbauen. Und danach staunen wir über das verblüffende Ergebnis.

 

4. Das Problem des letzten Tages

Lasst uns zu der originalen Version des Paradoxons zurückkehren. In Bezug auf den letzten Tag bekommt das Urteil für den Gefangenen folgende Bedeutung: "1). Die Hinrichtung ist auf morgen angesetzt. 2). Aber heute wissen Sie es noch nicht."  Wenn der Gefangene dem Richter schon im Voraus nicht glaubt, dann gibt es nichts zu besprechen und das Thema ist vorbei. Um zu urteilen, muss der Gefangene diese Aussagen für wahr halten (wir erinnern uns an den Hinweis: "Der Richter war als Mann bekannt, der immer sein Wort hielt"). Aber dann ergibt sich, dass der erste Teil des Urteils ihm ein Wissen mitteilt, der Teil 2 dieses Wissen verneint. Der Teil 2 kann nicht richtig sein, wenn der Gefangene den Teil 1 für wahr hält. Das Urteil ist widersprüchlich, weitere Folgerungen sind unmöglich.

Aber darf man darauf die Analyse beenden? Stellen wir uns einen Dialog vor, der am nächsten Tag stattfinden könnte:

Gefangene: Das Urteil ist widersprüchlich und deshalb ungültig.
Richter: Könnten sie aus dem Urteil folgern, dass die Hinrichtung auf heute angesetzt wurde?
Gefangene: Nein, weil es unmöglich ist, aus einem widersprüchlichen Urteil zu folgern.
Richter: Nun also gibt es auch keinen Widerspruch. Sie können kein Wissen vorzeigen, also ist der Teil 2 des Urteils erfüllt. Es bleibt nur noch übrig, den Teil 1 zu erfüllen.

Lasst uns noch mal alle Argumente durchgehen:
Die Widersprüchlichkeit des Urteils lässt nicht zu, Schlüsse über den Hinrichtungstag zu ziehen. Oder wenn es jemanden recht ist, können aufgrund des Urteils beide Schlüsse gezogen werden, dass die Hinrichtung für morgen geplant ist und dass sie das nicht ist. Das Ergebnis ist dasselbe - der Gefangene kennt den Hinrichtungstag nicht. Aber da gerade das im Teil 2 des Urteils behauptet wurde, wird dieser Teil 2 richtig auch wenn der Teil 1 wahr ist, und dadurch wird der anfängliche Widerspruch aufgehoben. Und wenn morgen die Hinrichtung stattfinden würde, so würde sich das Urteil unter Beachtung aller Bedingungen als erfüllt erweisen.

Solcher Trick kann nur dank der Behauptung "Sie werden nicht wissen können" möglich werden, die ein Teil der widersprüchlichen Aussage bildet, weil die Unwissenheit die einzig mögliche Folge aus einem Widerspruch ist (mit Ausnahme eines indirekten Beweises, wo aus dem Widerspruch die Falschheit der Annahme folgt). Deshalb folgt aus der Widersprüchlichkeit des Urteils seine Widerspruchslosigkeit. Das heißt, dass das an den letzten Tag angewendetes Urteil paradox ist. Und das Paradoxon entsteht infolge eines Selbstbezuges: Das Urteil enthält im Teil 2 die Folge seiner eigenen Widersprüchlichkeit.

Darf also der Gefangene am letzten Tag hingerichtet werden? Stellen wir uns vor, dass die Entscheidung einem in eiliger Ordnung gesammelten Gericht anvertraut wird. Der Anwalt des Gefangenen hätte drei Verteidigungslinien:

1. Der Anwalt erklärt, dass der Gefangene aus dem Urteil wusste, dass die Hinrichtung für heute geplant wurde. Der Richter erwidert, der Gefangene hat den Teil 2 des Urteils außer Acht gelassen, und dieser Teil lässt solches Wissen nicht zu. Der Richter ist damit gezwungen, die Widersprüchlichkeit des Urteils zuzugeben.
2. Der Anwalt erklärt, dass in solchem Fall das Urteil infolge seiner Widersprüchlichkeit gegenstandslos ist. Jetzt muss der Richter beweisen, dass von der Unwissenheit des Gefangenen der Widerspruch aufgehoben wird und dass das Urteil "nur" paradox ist.
3. Der Anwalt stellt die Rechtmäßigkeit einer Hinrichtung aufgrund eines so paradox verworrenen (und deshalb kaum verständlichen) Urteils infrage.

Das wahrscheinliche Finale wäre wohl die Aufhebung der Hinrichtung und der Rücktritt des Richters.
Es wäre jedoch eher ein Erfolg der Taktik und nicht der Logik.
Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass es sich in diesem Abschnitt um eine nebensächliche Frage handelte, die bei der Analyse des Paradoxons entstanden ist. In seiner originellen Version erfüllt das Problem des letzten Tages die Rolle eines eigenartigen "Schutzes vor Eindringlinge". Diesen Schutz haben wir mit einer gezielten Korrektur der Ausgangsbedingungen weggeräumt, um an die eigentliche Logik des Paradoxons heranzukommen.

 

5. Anlagen

Zum Abschnitt 1
Ich möchte hier eine einfache Variante des Paradoxons anbieten, die frei vom "Problem des letzten Tages" ist:
In einem leeren Raum befinden sich 7 Kisten und ein Ball. Der Ball ist groß und kann nur in einer der Kisten versteckt werden. Der "Gefangene" geht raus, der "Richter" legt den Ball in eine der Kisten und sagt dann zum wieder eingetretenen "Gefangenen": "Du wirst nicht im Voraus wissen, dass der Ball in der jeweiligen Kiste liegt, bevor Du sie nicht geöffnet hast". Die Kisten werden in einer bestimmten Reihenfolge geöffnet, z.B. angefangen von der Tür. Die Überlegung des Paradoxons bringt den "Gefangenen" zur Schlussfolgerung, dass der Ball sich in keiner der Kisten befinden kann, obwohl er weiß, dass das Gegenteil richtig ist.
Es ist zu empfehlen, über ein folgendes logisches Experiment etwas nachzudenken: Es gibt nur 2 Kisten. Der "Gefangene", wie gewöhnt, schließt die letze Kiste aus ("weil er wissen würde"), und erklärt: "Der Ball steckt in der 1.Kiste." Die Kiste wird geöffnet, aber sie ist leer. Jetzt weiß er, dass der Ball in der 2.Kiste liegt, und das erklärt er auch. Diesmal hat er selbstverständlich recht. Aber hat er das Spiel gewonnen?

Zum Abschnitt 2
Der Vollständigkeit halber möchte ich noch einen "richtigen" Gedankengang für den Gefangenen anbieten (meine frühe Variante). Als Ausgangspunkt wird uns der Gedanke dienen, dass eine fehlerfreie Analyse des Gefangenen auch vom Richter reproduziert werden könnte.

Der Gefangene könnte urteilen: "Wenn die Hinrichtung für den letzten Tag vorgesehen wäre, so würde ich es im Voraus wissen. Solches Wissen widerspricht aber dem Urteil. Darf ich daraus folgern, dass die Hinrichtung nicht für den letzten Tag vorgesehen werden kann? Nehmen wir an, dass ich es darf. Wir nehmen also an, dass dieser Schluss ein Teil einer logisch korrekten Analyse wäre. Jedoch könnte auch der Richter meine Analyse reproduzieren, wäre sie richtig. Daher würde der Richter wissen, dass ich zum Schluss gekommen bin, dass die Hinrichtung am letzten Tag nicht möglich ist. Aber dann könnte er mit Leichtigkeit diesen Schluss widerlegen, indem er die Hinrichtung für den letzten Tag einplane."

Diese Variante ist mit der Idee verbunden, dass der originelle Gedankengang des Gefangenen einige gewisse Kooperation seitens des Richters vermutet. Man kann auch eine Verbindung zum "vielfachen Wissen" feststellen. Aber wir werden uns nicht damit beschäftigen, weil oben schon einfachere Wege angeboten worden sind.

Zum Abschnitt 3
Wie müsste der Gefangene urteilen, um nicht zum "vielfachen Wissen" abzurutschen? Einfachheit halber betrachten wir eine Variante mit zwei Tagen anstatt sieben:

"Würde ich den vorletzten Tag überleben, würde ich den Tag X wissen (den Widerspruch des letzten Tages sind wir los) - wenn ich zu dieser Zeit noch kein Gebrauch von meinem Recht auf das Wissen gemacht hätte. Lasst uns annehmen, dass auch diese Bedingung (A) erfüllt ist. Da ich den Tag X nicht wissen soll, würde hieraus folgen, dass der letzte Tag nicht der Tag X sein kann und folglich es nur der vorletzte Tag sein kann. Aber dieses neu erworbene Wissen des Tages X würde der früher angenommenen Prämisse A widersprechen, dass ich zum letzten Tag noch kein Wissen hätte. Also muss ich alle Schlüsse, die A folgen, verwerfen."